Hauptmenü

Reiseberichte

Language Selection

  • English (United Kingdom)
  • Deutsch (DE-CH-AT)
Der Unfall
Dienstag, 10. November 2009 um 21:42 Uhr

Nachts um 3Uhr weckt uns ein lautes berstendes Geräusch, das wir überhaupt nicht einordnen können. Ich denk zuerst, dass wir ein kleines Fischerboot überfahren haben. Es kracht aber 4-5 mal hintereinander in Abstand von mehreren Sekunden. Was immer es auch ist, uns ist klar, dass es ernst ist.
Wir springen sofort aus dem Bett, ziehen uns etwas an und schlüpfen in die Schwimmwesten. Wir können uns dabei aber kaum auf den Beinen halten, weil Schläge das ganze Boot erschüttern und es schon Schlagseite hat.  Ohne etwas mitzunehmen verlassen wir die Kabine, um ans Heck zu gehen, wie wir es nachmittags bei einer Alarmübung gelernt hatten. Von unserer Kabine geht es direkt in den Barraum, der durch 2 Türen vom Speiseraum getrennt ist, von wo es dann raus zum Heck geht.
Die linke Tür zum Speiseraum ist blockiert, weil sich der Rahmen verzogen hat. Also hangeln wir uns zur rechten Tür hoch, die sich zum Glück öffnen lässt. Im Speisesall rutsch Jodi auf dem heissen Wasser aus, das aus der Cafemaschine gelaufen ist, kann sich aber gleich wieder fangen.

Auf dem Bootsheck rennen Crewmitglieder hektisch rum und brüllen durcheinander.  Jetzt sehen wir, dass der Katamaran mit dem linken Rumpf gegen eine Felsenküste gefahren ist. Da das Boot nach links hängt, ist auch das Landungsschlauchboot auf dieser Seite beschädigt und schwingt frei am Kran. Jetzt kommt auch schon Wasser auf das Deck, das normalerweise 1,5m überm Wasserspiegel ist. Zu allem Überfluß hängt auch noch ein intensiver Dieselgeruch in der Luft.

Arturo, einer der Crew bringt eine 20L Wasserflasche ans Heck, rutscht auf den dieselverschmierten Planken aus und rutscht samt Flasche auf die linke Seite ins Wasser. Ich halte mich an der Bank fest nehm ihm die Flasche ab und geb sie nach rechts weiter, wo die ersten Passagiere schon in das 2. Schlauchboot steigen. Erst jetzt wird mir klar, dass ich kein T-Shirt anhab. Wenn wir in der prallen Sonne im Rettungsboot sitzen müssen, bekomm ich den Sonnenband meines Lebens. Ich seh mich also noch nach irgendetwas um, mit dem ich mich abdecken kann und geh in den Speisesaal, wo ich eine Decke von einem der Tische ziehen will. Hinter mir ruft Jodi noch “Heiko, geh da nicht mehr rein.“, weil sie denkt, dass ich in die Kabine zurück will. Die Tischdecke ist aber eingeklemmt und komischerweise will ich die Vasen und Gläser, die ans Tischende gerutscht sind, nicht kaputtmachen. Außen finde ich unter einer Bank eine Mülltüte und einen Gummihandschuh die ich beide einstecke (fragt mich nicht, wofür ein Schiffbrüchiger einen einzelnen Gummihandschuh braucht) . 

Als letzte steigen wir dann ins Schlauchboot und ich seh noch, wie ein paar von der Crew vergeblich versuchen, eine der 2 Rettungsinseln dazu zu bewegen, sich aufzublasen.

 

Die Unfallstelle ist rot markiert.

Das Wasser auf dieser Seite des Bootes ist ruhig und alle fragen sich, wie das passieren konnte. Unser Guide Tanya erzählt uns, dass der Nortuf erfolgreich abgesetzt wurde und ein Boot in einer Stunde hier wäre – Glück im Unglück. So kommt es dann auch, und eine Stunde später sind wir an Bord eines Schiffes der Nationalparkwache das hier unterwegs ist, um Wissenschaftler und Parkpersonal zu Beobachtungsstationen zu bringen. Glücklicherweise sind sie mit ihrem Zeitplan einen Tag in Verzug, weil sie am Vortag Piratenfischer gejagt hatten. Sonst wären wir noch sehr lange im Rettungsboot gesessen, da in der Nebensaison selten Boote in diesen Teil der Galapagosinseln fahren.

Da der Kapitän an seiner ursprünglich geplanten Route festhält, sind wir erst 20 Stunden später in Puerto Ayora, der groeßten Stadt der Inseln. Am Pier werden wir von einem Kamerateam und Photographen empfangen. Wir halten uns aber nicht mit Interviews auf und sind genau 24 Stunden nach dem Unfall wieder im Bett.

 


Bei all dem Chaos und der Aufregung
ist während des Unfalls jeder ruhig geblieben.
Das haben wir nicht zuletzt unserem Guide
Tanya zu verdanken, die immer den Über-
blick behalten hat.
Auch in den Tagen danach war sie allen
eine große Hilfe beim Erledigen der ganzen
Behördengänge auf der Insel.

Nach unserem 2. Galapagos Trip haben wir
ihr dann ein passendes Geschenk gemacht.
Yvette und Rian aus Holland, die mit
auf dem Boot waren. Wir hatten sie danach
noch ein paar mal in Quito getroffen, uns
gegenseitig unser Leid beklagt
und bemitleidet.

 

 

 

Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, 12. November 2009 um 19:37 Uhr